Sinnliche Erfahrung und geistige Erkenntnisse sind nicht mehr eins. Wir sehen die Sonne im Osten aufgehen und im Westen untergehen. Und doch können wir unseren Sinnen nicht vertrauen. Nicht die Sonne hat sich gedreht, sondern eben die Erde. Und die meisten von uns würden den Himmel und damit auch Gott wohl spontan noch immer hoch über uns verorten. Schon Kopernikus selbst hat dieses Problem mit leiser Ironie beschrieben.
„Das Auge hält sich nämlich überall für den Mittelpunkt der Sphäre alles ringsum Sichtbaren.“
Unser eigenes Gehirn täuscht uns! Geist und Sinne sind nicht mehr eins. Das bedeutet auch: Wir können nicht mehr wie kleine Kinder die Welt buchstäblich begreifen. Diese Erkenntnis kommt uns heute vielleicht läppisch vor, für die Menschen des 16./17. Jahrhunderts war sie vermutlich eine wahre Erschütterung. Sie wurden förmlich hinaus geworfen aus der kindlichen Geborgenheit in den Abläufen der Natur. Sie waren nicht mehr Teil von ihr, sondern standen nun außerhalb. Die meisten Menschen in der westlichen Welt haben diese Einheit mit der Mutter Erde und den Respekt vor der ewigen natürlichen Ordnung wohl nie wieder gefunden.
Auch die Theologen mussten umdenken. Zum Beispiel der Himmel. Heutige Theologen deuten den Himmel ja nicht mehr als etwas Räumliches, was wie ein Dach über uns thront. Ganz im Gegenteil – der Himmel ist für sie mitten unter uns, er ist wie eine zweite Dimension von Leben, in die wir nach unserem Tod eintreten. Diese andere – zeitlose – Dimension können wir manchmal schon jetzt fühlen. Zum Beispiel, wenn uns ein wildfremder Mensch mit überwältigender Warmherzigkeit behandelt. Oder wenn wir so sehr in einer Tätigkeit aufgehen, dass wir jedes Zeitgefühl vergessen. Dann ist ein Moment lang so etwas wie Ewigkeit und Himmel zu spüren.
Aus einem Artikel über Kopernikus
Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/von-einem-der-die-welt….
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