Du sollst keine anderen Götter neben Dir haben, erlebe die Göttlichkeit in Dir!

Samstag, 26. Dezember 2015

Wir sind das Zünglein an der Waage



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Öffnen wir die Augen

Liebe Freunde,

sicherlich kennt Ihr das Zitat von Robert Anton Wilson1Menschen sind Riesen, denen man eingeredet hat, dass sie Zwerge sind“. Nun haben wir etliche Jahrzehnte hinter uns, in denen uns scheinbar grenzenlose Möglichkeiten vorgegaukelt wurden und die künstlichen Begrenzungen unserer Fähigkeiten immer subtiler wurden. Bei all den Technologien, die wir inzwischen „nutzen“, um uns selbst die einfachsten Dinge abzunehmen zu lassen, nehmen unsere Bequemlichkeiten noch zu und wir können kaum noch merken, wie unsere Gewohnheiten dazu führen, dass viele unserer Fähigkeiten nicht mehr zum Einsatz kommen. Am Ende kann diese Entwicklung dazu führen, dass wir meinen, ohne Technologie unvollkommen und völlig hilflos zu sein (die Natur kommt bekanntlich ohne Technik aus). Wenn wir diesem Empfinden Glauben schenken und uns nicht mehr an die in uns angelegten naturgemäßen Fähigkeiten erinnern können, haben wir uns selbst am Ende unserer Macht beraubt.

Damit wir alle unsere natürlichen Fähigkeiten in vollem Umfang nutzen und weiterentwickeln können, müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Dazu brauchen wir als Menschheit eine fundamentale Veränderung. Auf individueller Ebene steht an, uns unserer Aufgabe zu stellen, die widernatürlichen Strukturen unseres Egos zu erkennen und uns von ihnen nicht weiter beherrschen zu lassen, sondern mehr aus unserem Herzen zu agieren und in Ehrfurcht vor der Schöpfung Brüderlichkeit zu leben. Auf politischer Ebene das Prinzip der Unterstützung ohne Vereinnahmungsabsicht, auf wirtschaftlicher Ebene die Abkehr vom Heuschreckenkapitalismus und auf globaler Ebene eine grundlegende Umkehr im Umgang mit unseren Lebensgrundlagen. 

Dazu müssen wir uns kollektiv von Unterdrückung und Manipulation befreien und von unseren Rechten und Möglichkeiten Gebrauch machen. In einer Wissensgesellschaft, in der Information alles ist, ist Aufklärung eine Frage der Verbreitung wahrer Informationen. Bei der Verbreitung so vieler Unwahrheiten, wie wir sie heute erleben, wird es zunehmend wichtiger, genau darauf zu schauen, welchen Wahrheitsgehalt die Dinge tatsächlich haben, die wir als richtig anerkennen. Die öffentlichen Medien sind zunehmend weniger Lieferanten zuverlässiger Informationen. Es liegt in unserer Macht, eine andere unmanipulierten Öffentlichkeit zu schaffen, uns zu vernetzen und dabei auf nichts blind zu vertrauen. Ich bin davon überzeugt, dass der Menschheit die Kehrtwende gelingen wird, aber ich weiß auch, dass es mehr denn je darauf ankommt, dass jeder Einzelne von uns in dem, was der denkt, tut und sagt, von dem Bewusstsein um die Maximen eines wahrhaft sozialen Wesens getragen ist. Denn es geht dabei nicht nur um individuelle Qualitäten, sondern auch um den Aspekt der Quantität, der Menge an so orientierten Individuen, um den kritischen Schwellenwert2. Jeder Einzelne könnte das Zünglein an der Waage sein und ausschlaggebend dafür, in welche Richtung das System kippt. 

Mit Zünglein an der Waage bezeichnet man bildhaft einen ausschlaggebenden Umstand oder eine entscheidende Person in einer ansonsten ausgewogenen Situation, besonders in einer Pattsituation. Die metaphorische Redewendung will deutlich machen, dass eine kleine Ursache in bestimmten Situationen große Wirkung haben kann. Es geht um Alles oder Nichts. Um unsere Freiheit oder um unsere Versklavung. Das Alles-oder-nichts-Gesetz bezeichnet das Phänomen, dass eine Reaktion auf einen Reiz entweder vollständig oder überhaupt nicht ausgelöst wird. Es gibt also einen Schwellenwert, der überschritten werden muss, um die Reaktion auszulösen. 

Lebendige Systemen sind nur kurzfristig im Gleichgewicht. Verkürzt gesagt, naturgemäß geht der Entwicklung zu einer höheren Ordnung immer Chaos voraus. Einer der ersten Forscher, der sich mit diesem Phänomen auseinander setzte, war der russische Nobelpreisträger Ilja Prigogine. Der Physikochemiker und Philosoph richtete seine Aufmerksamkeit auf sogenannte dissipative Strukturen. Sie entstehen in komplexen Systemen, die nicht statisch sind, sondern sich unaufhörlich verändern. Man spricht auch von nicht-linearen Systemen. 

Wie hat man sich das vorzustellen? Ein lineares System ist überschaubar. Wenn ich einen Topf mit Wasser auf den Herd stelle und die Herdplatte einschalte, wird das Wasser irgendwann zu kochen anfangen. Die Hitze im Wasser erhöht sich gleichmäßig, das heißt: linear, bis das Wasser den Siedepunkt erreicht und verdampft. Die einfache Regel eines linearen Systems heißt: Wenige berechenbare Faktoren erzeugen ein berechenbares Ergebnis. Denn je mehr Wärme ich zuführe, desto schneller erhitzt sich das Wasser. Anders nicht-lineare Systeme. Im Beispiel könnten nun viele andere Faktoren hinzukommen. Durch Aus- und Anschalten der Herdplatte ist die Energiezufuhr unregelmäßig. Jemand wirft Eiswürfel ins Wasser das sich daraufhin kurzzeitig abkühlt. Die Gravitation ändert sich. Und schon haben wir ein nicht-lineares System. Es ist komplex, weil viele unberechenbare Faktoren im Spiel sind. Und das System kann plötzlich „umkippen“: An einem nicht berechenbaren Zeitpunkt fängt das Wasser an zu kochen. 

Noch deutlicher wird dieser Vorgang beim Wetter. Es unterliegt den verschiedensten Einflüssen, etwa dem warmen Golfstrom oder lokalen Stürmen. All das wirkt sich auf das Weltwetter aus. Sogar winzigste Veränderungen können das gesamte System beeinflussen. Der Wetterforscher Ed Lorentz prägte dafür den populären Begriff Schmetterlingseffekt: Schon der Flügelschlag eines Schmetterlings in Südamerika könne in China einen Hurrikan auslösen. Wer denkt da nicht an Gandhis Satz: Sei selbst die Veränderung, die du dir von der Welt wünschst?

Wer hätte schon gedacht, dass ein einfacher Wanderprediger wie Jesus von Nazareth eine Weltreligion stiften würde, die gewaltige, kulturelle und politische Folgen haben würde? Jeder Einzelne von uns könne der Schmetterling sein, der das Gesamtsystem zum Kippen bringt. Zunächst könnte es allerdings so aussehen, dass wir nur alles durcheinanderbringen. Haben wir etwas falsch gemacht? Nein, denn dieses Kippen und Chaos ist unausweichlich.

Der Systemtheoretiker Ilja Prigogine fragte sich: Was passiert, wenn sich Strukturen höherer Ordnung entwickeln? Er fand heraus, dass dabei Übergangsstadien entstehen, die konfus und desorganisiert wirken. Erst mit den modernen Methoden der computergestützten Visualisierung von großen Datenmengen wurde zweierlei sichtbar: Die scheinbare Unordnung hatte sehr wohl eine Struktur, wenn auch keine, die der klassischen Geometrie entspricht. Statt regelmäßiger Formen wie Dreiecke oder Vierecke bilden sich sogenannte Fraktale, gezackte, gebogene Gebilde. Optisch ähneln sie zuweilen Seesternen oder zerklüfteten Küstenlinien. Sie markieren einen Zwischenzustand, aus dem sich später eine höhere, geordnete Struktur ergibt. 

Insofern ist jede Krise ein Signal dafür, dass sich eine neue Ordnung bildet. Die gesamte Menschheitsgeschichte ist ein Auf und Ab von Kampf und Blüte, von Aufbau und Zerstörung. Von einem Gleichgewicht ist sie weit entfernt, so wie auch biologische Systeme niemals im Gleichgewicht sind. Dennoch bin ich sicher, dass der momentane Evolutionsschritt der Menschheit langfristig eine stabile Ordnung hervorbringen wird. Diesmal ist es anders als sonst. Diesmal haben wir die Chance, auf einem nie erreichten Bewusstseinsstand Veränderungen zu bewirken.

In ihrem Interview für SOLAR REVOLUTION zitierte die Physikerin Elisabeth Rauscher Margaret Mead3, „Es braucht nur ein paar gute Leute mit einer ähnlichen Vision, um das Modell an das die Menschen glauben, zu ändern.“ Und fügte hinzu „Und ich glaube nicht einmal, dass es so viele dafür braucht, aber sie müssen kohärent sein.“

In diesem Sinne wünsche ich Euch allen für die kommenden Festtage viele lichtvolle Momente und einen erfreulichen Jahreswechsel.

Me Agape

Euer
Dieter Broers

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