Die USA hatten wiederholt Norwegen aufgefordert, den Whistleblower Edward Snowden festzunehmen und auszuliefern, falls dieser jemals das Land betreten würde. Dies deckten nun norwegische Medien unter Berufung auf die offiziellen Anfragen der US-Amerikaner auf. Auch auf andere skandinavische Länder wurde Druck seitens der USA ausgeübt. Trotz der Versuche Washingtons Snowden festzunehmen, lebt dieser weiterhin sicher im russischen Exil.
Kurz nachdem der frühere 
NSA-Systemadministrator Edward Snowden die globalen 
Überwachungsaktivitäten der US-Geheimdienste öffentlich machte und 
infolgedessen über einen Monat am Moskauer Sheremetyevo-Flughafen 
festsaß, erhielt das norwegische Außenministerium einen Brief aus 
Washington.
Das Dokument ist auf den 27. Juni 2013 datiert und wurde nun von dem norwegischen TV-Sender NRK präsentiert. Aus dem Schreiben wird zitiert:
„Wir fordern die Regierung Norwegens auf, sollte der US-Bürger Edward J. Snowden versuchen aus irgendwelchen Gründen nach Norwegen einzureisen, dass [Norwegen] die [US-]Botschaft umgehend benachrichtigt und die Rückkehr Herrn Snowdens in die Vereinigten Staaten bewirkt – durch Verweigerung der Einreise, Deportation, Ausweisung oder anderer rechtmäßiger Mittel.“
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Am selben Tag folgte auch ein Brief des 
skandinavischen FBI-Büros an die Justizbehörden Norwegens, Schwedens und
 Finnlands. Darin wurde Snowden als flüchtiger Krimineller bezeichnet. 
Die Behörden wurden aufgefordert, das US-amerikanische FBI-Personal zu 
benachrichtigen, falls der Whistleblower von Moskau aus einen Flug in 
eines der skandinavischen Länder bucht.
Die Sprachwahl in den von NRK offen gelegten 
Dokumenten belegt überdies, wie händeringend die USA versuchten, die 
NSA-Dokumente in Snowdens Besitz abzufangen:
„Die [US-]Botschaft fordert die Beschlagnahmung von allen Gegenständen, die aufgrund von Rechtsverstößen erworben wurden. Dies beinhaltet alle Computer-Laufwerke, elektronische Speichermedien und alle anderen Arten elektronischer Medien.“
Der problematischste Teil der äußerst übergriffigen 
Anfragen seitens der USA ist, dass Snowden in Folge dieser 
Anschuldigungen das Recht auf Asyl hätte verwehrt werden können. 
Snowdens Rechtsanwalt Ben Wizner gab gegenüber NRK an:
„Was mich besorgt, ist der Vorschlag, dass, falls Herr Snowden eines dieser Länder betreten hätte, er sofort ausgeliefert worden wäre – bevor er irgendeine Chance gehabt hätte, seine durch das Völkerrecht abgedeckten Menschenrechte in Anspruch zu nehmen.Die einzige richtige Antwort von den politisch Verantwortlichen von Norwegen – oder denen irgendeines anderen freien Landes – wäre gewesen, den USA zu sagen, dass dies eine juristische und keine politische Frage ist. Und dass, auf Grundlage des Völkerrechts, jemand, der eines politischen Vergehens angeklagt wird, das Recht hat um Asyl zu bitten, bevor irgendwelche Maßnahmen der Auslieferung ergriffen werden.“
Snowden wurde in Folge seiner Enthüllungen vor 
wenigen Monaten nach Norwegen eingeladen, als ihm von der Bjørnstjerne 
Bjørnson Academy der renommierte Bjørnson-Preis für Meinungsfreiheit
 verliehen wurde. Die Auszeichnung wurde damit begründet, dass Snowden 
„wichtige Arbeit für den Schutz der Privatsphäre geleistet hat und ein 
kritisches Licht auf die Überwachungsaktivitäten der USA gegen die 
eigenen Bürger und die anderer Staaten gelenkt hat.“
Snowden verzichtete jedoch darauf, persönlich bei der
 Verleihung zugegen zu sein und wurde für seine Dankesrede per Internet 
zugeschaltet.
Trotz der nun aufgedeckten Anfragen der US-Regierung 
ist aber nicht klar, ob Norwegen im Ernstfall dem Ersuchen nach 
Auslieferung auch nachgekommen wäre.
Das Justiz- und das Außenministerium des 
skandinavischen Landes ließen wissen, dass die US-Forderung nicht 
beantwortet wurde, denn nach norwegischem Recht kann kein Land einen 
Auslieferungsantrag stellen, bis die betroffene Person wirklich 
norwegischen Boden betreten hat.
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Jøran Kallemyr, Staatssekretär im Justizministerium bestätigte diese Sicht:
„Wir haben lediglich die US-Amerikaner darüber informiert, wie das norwegische System arbeitet. Wenn diese eine Auslieferung fordern, werden die ausführenden Behörden darüber entscheiden, wenn der Fall vor einem Gericht landet. Und das Gericht wird entscheiden, ob die Voraussetzungen für eine Auslieferung gegeben sind.“
Neben den skandinavischen Ländern wurde auch 
Deutschland von den USA unter Druck gesetzt. Laut dem britischen 
Enthüllungsjournalisten Glenn Greenwald wurde Berlin angedroht, künftig 
keine Geheimdiensterkenntnisse aus Washington mehr zu erhalten, falls 
die Bundesrepublik Snowden Asyl angeboten hätte. Greenwald zitierte den 
SPD-Vorsitzenden und Vizekanzler Sigmar Gabriel mit den Worten:
„Sie sagten uns, sie würden aufhören uns über geplante Attentate zu informieren und auch andere Geheimdienst-Erkenntnisse nicht mehr mit uns zu teilen.“
Nach seiner Flucht nach Hongkong bekam Edward Snowden
 politisches Asyl in Russland. Am 1. August 2013 garantierte Russland 
dem Whistleblower zunächst ein Jahr im Land bleiben zu können. Nach dem 
Jahr erhielt Snowden schließlich eine Aufenthaltsgenehmigung für weitere
 drei Jahre, gültig seit dem 1. August 2014. Im März dieses Jahres bat 
Snowden die Schweiz öffentlich um politisches Asyl – bisher ohne Erfolg.
Edward Snowdens Enthüllungen brachten vor zwei Jahren
 den größten Überwachungs- und Geheimdienstskandal der Geschichte ins 
Laufen. Nicht nur wurden die umfassenden anlasslosen 
Massenüberwachungsprogramme von NSA, GCHQ, BND und weiterer Dienste 
aufgedeckt, auch konnte bei den folgenden Enthüllungen belegt werden, 
dass mit den USA verbündete Regierungen – wie etwa die deutsche – 
umfassend von Washington überwacht werden.



 
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