Aber da stoßen sie auf einen Familienbetrieb.
Schon im Mai 2013 (Aktenzeichen 1BvR 1700/12) hat der dortige Vizepräsident das GEZ-Gesetz über den Zwangs-Rundfunkbeitrag seines Bruders durchgewunken. Verfassungsrichter Professor Ferdinand Kirchhof (65), der bereits 2013 über Klagen von Bürgern über die Rechtmäßigkeit der GEZ-Gebühren mitzuentscheiden hatte, ist der jüngere Bruder von Professor Paul Kirchhof (73) – dem Vater der neuen Rundfunksteuer.
Auf diese geburtsrechtliche Befangenheit des Verfassungsrichters wies Gerhard Wisnewski vom Rottenburger Kopp Verlag hin und spricht hier nach Schwabenart von einem “Geschmäckle”. In anderen Regionen Deutschlands sagt der Volksmund: Das stinkt zum Himmel.
Es ist wohl nicht von der Hand zu wischen, dass Ferdinand Kirchhof und Paul Kirchhof nicht nur einander kennen, sie sind zusammen aufgewachsen. Wie jedermann weiß, ist Blut dicker als Wasser.
Und nun suchen Bürger Schutz vor einem vermeintlich ungerechten Gesetz des Steuerrechtlers Kirchhof und landen wieder bei einem Kirchhof, der über das Steuerrecht richtet. Kopp-Autor Wisnewski vergleicht das mit der Geschichte vom Hasen und Igel: “Kaum rennt der Bürger mit hängender Zunge zu einem Gericht, um sein Recht zu bekommen, sitzt da schon wieder der Igel und schmettert die Klage ab. Oder zumindest der Bruder des Igels.”
Aber die Brüder sind sich auch beruflich sehr nah. Ferdinand folgte dem älteren Paul in die Fußstapfen.
Paul Kirchhof (73) wurde 1981 als Professor und Inhaber eines Lehrstuhls für Staatsrecht an die Universität Heidelberg berufen und war zeitgleich bis 2013 Direktor des dortigen Instituts für Finanz- und Steuerrecht. Seit 2013 ist er an der Uni Heidelberg Seniorprofessor distinctus und war bis letztes Jahr Präsident der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Die Uni Heidelberg gehört dem Land Baden-Württemberg, ist also öffentlich-rechtlich – genauso wie ARD, ZDF und Deutschlandradio.
Kirchhof gilt als Übervater des Staats- und Steuerrechts; von 1987 bis 1999 war er sogar selbst Bundesverfassungsrichter. 2005 wurde der parteilose Finanzexperte von Angela Merkel für die Bundestagswahl in ihr Schattenkabinett berufen – als Bundesfinanzminister, also als Deutschlands oberster Steuereintreiber.
Die öffentlich-rechtlichen Sender bestellten über sich ein Gutachten von einem öffentlich-rechtlichen Professor
Paul Kirchhof (73), der ältere Bruder des Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts Ferdinand Kirchhof (65), hat das Befürwortungs-Gutachten der GEZ-Gebühren von heute 17,50 Euro für jeden Haushalt im Monat verfasst (Foto: 1.bp.blogsport.com)
Derselbe Steuerexperte fertigte 2010 ein Gutachten über “Die Finanzierung des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks” an, auf das die Ablösung der GEZ-Gebühr durch eine Haushaltsabgabe (“Rundfunksteuer”) zurückgeht.
Der Kopp Verlag schreibt: “Mit der Expertise wurde das neue Finanzierungssystem der Anstalten quasi aus der Taufe gehoben und von berufener Stelle abgesegnet. Dieses Gutachten gilt bis heute als Grundlage eines unabhängigen Experten für die neue Haushaltsabgabe der öffentlich-rechtlichen Sender. Was man dem Publikum natürlich nicht erzählt, ist, dass das Gutachten bestellt wurde. Auftraggeber waren niemand andere als die öffentlich-rechtlichen Anstalten selber, nämlich ARD, ZDF und Deutschlandradio.”
Kopp-Autor Wisnewski spricht von einem Treppenwitz der Geschichte:
“Vielleicht wäre es gut gewesen, in dem Gutachten das Honorar zu erwähnen, das Kirchhof für diese Auftragsarbeit erhalten hatte. Allerdings sucht man solche Angaben dort vergebens. Oder hat er für das 85-Seiten-Werk etwa kein Geld erhalten? In jedem Fall bleibt es ein Treppenwitz der Geschichte, dass sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten selbst ein Gutachten über ihre eigene Finanzierung schreiben lassen und die Länder dies umgehend im Dezember 2010 in einen neuen Rundfunkänderungsstaatsvertrag gießen, in dem diese Finanzierung der Sender genehmigt wird.
Damit ist die neue Haushaltsabgabe quasi ein “Auftragsgesetz” der öffentlich-rechtlichen Sender selber. Der nächste Witz besteht darin, dass uns dieses Gutachten bis heute als über jeden Zweifel erhabenes Wort eines unabhängigen Experten verkauft wird.”
Und nun zum amtierenden Verfassungsgerichts-Vize Richter Ferdinand Kirchhof junior
Das junior ist wichtig, weil der gemeinsame Vater von Paul und Ferdinand Kirchhof, also Ferdinand Kirchhof senior, von 1959 bis 1979 Richter am Bundesgerichtshof war.
Ferdinand Kirchhof junior wurde 2007 vom Wahlausschuss des Deutschen Bundestages zum Richter in den Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts berufen; sein Amt trat er am 1. Oktober 2007 an. Am 5. März 2010 wurde er zum Vorsitzenden des Ersten Senates des Bundesverfassungsgerichtes und Vizepräsidenten des Gerichtes gewählt. Er amtiert in dieser Funktion seit der Ernennung durch den Bundespräsidenten am 16. März 2010. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts bereitete er als zuständiger Berichterstatter das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. Februar 2010 zu Hartz IV vor, wonach die Bundesregierung die zu niedrigen Hartz-IV-Sätze neu berechnen musste. Sie wurden um lediglich 5 Euro angehoben.
Kopp-Autor Wisnewski fragt die Leser: “Haben Sie sich nicht schon mal darüber gewundert, dass praktisch jede Klage gegen die neue Haushaltsabgabe vor dem Bundesverfassungsgericht scheitert? Ja, dass das Bundesverfassungsgericht manche Klagen erst gar nicht zur Entscheidung annimmt?”
Und gibt darauf folgende Antwort: “Nun, das könnte eben unter anderem daran liegen, dass dort nicht nur Paul Kirchhof selbst Verfassungsrichter war (bis 1999). Sondern möglicherweise auch daran, dass just im Jahr 2010 Kirchhofs ‘kleiner Bruder’ Ferdinand dort Vorsitzender des Ersten Senats und Vizepräsident wurde und prompt an Entscheidungen über die neue Haushaltsabgabe beteiligt war. Befangener geht’s eigentlich kaum noch.”
Betroffene zeigen sich denn auch entsetzt:
“Diese Ablehnung ist unfassbar, zumal schon eine erste Verfassungsbeschwerde unseres Verbandes gegen den neuen Rundfunkbeitrag auf gleiche Weise im Februar 2013 abgewimmelt worden ist”, schimpfte beispielsweise der Präsident des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN), Peter Ohm, dessen zweite Beschwerde gegen die Haushaltsabgabe ebenfalls nicht einmal zur Entscheidung angenommen wurde.
Darin monierte der VDGN “vor allem die Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch die umfangreichen Datenerhebungen, die von den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten bei den Meldebehörden durchgeführt werden”.
“Es sieht so aus, als wenn sich das Bundesverfassungsgericht mit dem neuen Rundfunkbeitrag nicht inhaltlich beschäftigen will”, beobachtete der Verbandspräsident. Dabei sei man sich sicher, “alle formalen Anforderungen an eine Verfassungsbeschwerde erfüllt zu haben”.
Und: “Was wir nicht für möglich gehalten haben, ist die Mitwirkung des Vizepräsidenten Ferdinand Kirchhof an diesem Beschluss. Er ist der Bruder des früheren Verfassungsrichters Paul Kirchhof, der wegen seines Gutachtens im Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio aus dem Jahre 2010 als Vater des Rundfunkbeitrags gilt.”
Gefasst wurde der Beschluss laut Ohm “von der 3. Kammer des Ersten Senats, konkret vom Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts Ferdinand Kirchhof und den Richtern Susanne Baer und Johannes Masing”. Laut Ohm sahen die Richter “allesamt von einer weiteren Begründung” ihrer Entscheidung ab.
Professor Paul Kirchhof: “Was ist Gerechtigkeit?”
Mit der grundlegenden Frage “Was ist Gerechtigkeit?” hat sich der ehemalige Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Paul Kirchhof am Mittwoch (2. April 2014) in der Reihe der Geistlichen Themenabende in der Fastenzeit 2014 im St.-Paulus-Dom Münster beschäftigt. Kirchhof nahm Gerechtigkeit als “unerfüllbaren Auftrag und alltäglichen Maßstab” in den Blick und sagte, dass “Justitia mit Waage und Schwert die Augen verbunden hält, damit wir etwas Menschliches nehmen, nämlich die Ansehung der Person, die zu Befangenheit und Parteilichkeit führen kann.”
Quelle: http://derwaechter.net/
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen