Die Bundesregierung bekommt langsam aber so richtig kalte Füße. Die ganze Abhörgeschichte durch die NSA hat schon genug Staub aufgewirbelt und in der Bevölkerung unangenehme Fragen nach den "amerikanischen Freunden" und der deutschen Souveränität aufgerührt. Gerade hat sich der Staub wieder ein bißchen gelegt, da kommt erst der richtige Hammer: Eikonal. Und diesmal sind auch zwei hohe Minister direkt verantwortlich: Steinmeier und de Maizière.
In Frankfurt am Main laufen viele, viele Leitungen zusammen zum größten Internet-Hub des Globus mit dem Kürzel DE-CIX. Hier ist der Tatort für eine unverschämteste Datenfischerei der NSA - und das unter Mithilfe des gloriosen BND. Hier fand eine der größten Aktionen des geheimen Datenaustausches zwischen BND und NSA statt. Und das zu einem großen Teil aus Trotteligkeit und Fahrlässigkeit des deutschen Geheimdienstes. Das ganze Desaster hatte natürlich, wie sich das bei Geheimdiensten gehört, einen ganz tollen Codenamen: "Operation Eikonal" - wenigstens das funktioniert immer.
Der Deckname ist nicht mal frei erfunden. Ein "Eikonal" ist der Fachausdruck für die Strecke zwischen Beginn und Ende eines Lichtstrahls. Das ist aber auch das einzig Korrekte an der Aktion. Jahrelang hat unser Deutscher Geheimdienst BND mit der NSA eng zusammengearbeitet, um Telefongespräche und Internet-Verbindungsdaten am Frankfurter Knotenpunkt abzufangen. Die Bundesregierung wußte die ganze Zeit, daß dabei Daten von deutschen Bürgern in die Hände der NSA und in die USA gelangten. Klar: Warum auch sonst sollte die NSA sonst Interesse an dieser Zusammenarbeit haben? Aber der Bundesregierung war das offenbar egal - oder wurde sie dazu sogar genötigt? In jedem Fall war das rechtswidrig.
Nun ist die Sache aufgeflogen, und im Kanzleramt windet man sich. Denn es waren nicht irgendwelche Knallchargen, die das verbockt haben und nun umstandslos geopfert werden können. Minister Steinmeier und der ehemalige Minister Thomas de Maizière haben wissend und jahrelang diese rechtwidrige Ausspionierung der Deutschen betrieben. Das ist natürlich hochpeinlich. Man weiß schon gar nicht mehr, in welche Richtung man sich aus der Affäre eiern könnte.
Dabei hat doch der BND jede nur mögliche, hochprofessionelle Vorkehrung getroffen zu verhindern, daß die Datensaugerei und Weitergabe auffliegen kann. Groß und breit "Streng geheim" steht auf den entsprechenden Akten, die nun in einer Kiste im Kanzleramt stehen ... und noch viel mehr als das: Der BND erließ sogar noch (erbebt!) eine "Abschirmungsverfügung"! Eine todsichere Sache also! Wer konnte denn damit rechnen, daß es trotzdem schiefging??? Also echt!
Wenigstens die Freunde über'm Teich waren zufrieden. Das war eine Geheimoperationganz nach ihrem Geschmack: Die deutschen Deppen die Daten besorgen zu lassen, diese schön gesammelt und gebündelt ganz offen abzugreifen, und dabei fröhlich pfeifend mit den Händen in den Taschen angelegentlich in die Luft zu gucken, denn verantwortlich und "schuld" waren schließlich die Heinis vom BND. Die dürfen das schließlich ganz allein ausbaden, wenn's auffällt. Deshalb gab's auch großes Lob: Ein "Kronjuwel der strategischen Zusammenarbeit" wurde dem Megapetzen-Club BND aus USA bescheinigt.
So richtig freuen können sich die Schlapphüte vom BND über das Lob nicht. Eigentlich, so erfährt man heute, war ihnen nie so richtig wohl bei der ganzen Sache. Es macht sich "hätten-wir-doch-bloß-nie"-Katerstimmung breit. Das Eikonal-Schlamassel kocht jetzt erst so richtig hoch. Es kommt dazu, daß auch noch viel mehr als nur die deutschen Daten durch diesen Knotenpunkt gelaufen und an die NSA gegeben worden sind. Hei, da machen Deutschland und seine fähigen Dienste sich wieder rundherum beliebt in Europa und dem Rest der Welt! Nicht nur, daß die Leyen-Spiel-Truppe Bundeswehr (gottseidank!!!) völlig unfähig ist, auch nur irgendwas Funktionierendes zu einem "Militärengagement" (vulgo: Krieg) beizutragen, nööö ... auch unsere Geheimdienste richten aus lauter Inkompetenz im In-und Ausland Flurschaden an, verletzen die Grundrechte der Bürger auf's Gröbste und fallen natürlich auch noch auf.
Aber wie der Herr, so's Gscherr, sagt das alte Sprichwort: Auch die Bundesregierung hat in effektiver Zusammenarbeit mit Brüssel in der Ukraine-Krise so ziemlich alles verkackt, was nur ging. Zum Schaden Rußlands, Europas, Deutschlands und der Ukraine. Nur die USA können - wenn zwar nicht alle - so doch immerhin einige Pluspunkte bei der ganzen Aktion verbuchen. So auch bei der Operation Eikonal.
Die Akten, die nun vom dafür einberufenen Untersuchungsausschuß ausgewertet werden, belegen, daß sowohl der BND als auch die Bundesregierung ganz bewußt bis an - und über - die Grenzen der rechtlichen Zulässigkeit gegangen sind, um Eikonal zu ermöglichen. Es ist schon durchgesickert, daß diese rechtliche Grenzeauch bewußt überschritten worden ist. Denn es finden sich- ebenfalls in den Akten - eindeutig Bedenken und Warnungen von damit befaßten Experten und Eingeweihten, die auf die Rechtswidrigkeit hinweisen.
Es gibt nämlich strenge und scharf umrissene Voraussetzungen für die Weitergabe von deutschen Telefonaten und E-Mails an ausländische Geheimdienste. So einfach darf in das Fernmeldegeheimnis nicht eingegriffen werden. Und es darf nur im Einzelfall und unterbestimmten Bedingungen geschehen. Beim Frankfurter Knotenpunkt und Eikonal war aber von geprüften Einzelfällen nicht die Rede, ganz im Gegenteil, die Datenflut war überhaupt nicht beherrschbar, der "Filter", der hier für Rechtmäßigkeit sorgen sollte, konnte das gar nicht und es lief allesmögliche durch das "Leck" zu den Amerikanern - was bekannt war. Dennoch wurde einfach weitergemacht.
Es handelt sich also wahrscheinlich um eine Grundrechtverletzung, die sich die deutschen Behörden hier geleistet haben. Dazu gibt es eigentlich ein G10-Gesetz und eine zehnköpfige G10-Kommission des Deutschen Bundestages, die jeden einzelnen Eingriff prüfen und genehmigen muß. Sehr wahrscheinlich war diese Kommission nicht einbezogen in die ganze Sache sondern wurde einfach getäuscht und mit ein paar Einzelfallprüfungen bei Laune und im seligen Glauben an ihre Wichtigkeit gehalten, während ganze Datenströme einfach ungehindert an die NSA flossen.
Das war dem BND und den Herren Steinmeier und de Maizière bekannt. Und trotzdem wurde weitergemacht. Warum?
2001 veränderte die Welt. Die Mutter aller False-Flag-Anschläge, der elfte September war ein Schock - und bescherte den USA als "Opfer" unbegrenzte Solidarität und die ultimative Rechtfertigung, überall zuzuschlagen, abzuhören, einzugreifen, Krieg anzufangen. Gleichzeitig fand damals der Einstieg in ein neues Zeitalter der Kommunikationstechnologie statt. Weltweit. Die Menschen begannen, sich im Internet zu informieren, dort zu handeln, zu kommunizieren, Informationen abzurufen und bereitzustellen. ISDN brachte Geschwindigkeit und Glasfaserkabel wurden weltweit verlegt, Handys waren nicht mehr für einige Wenige sondern bald in jeder Familie zu finden. Die Datenautobahnen formierten sich. Vollkommen aussichtslos, hier noch mühsam mit Wanzen in einzelnen Räumen irgendetwas reißen zu wollen. Neue Techniken erfordern eine Aufrüstung bei den Geheimdiensten, um Herr der Lage zu bleiben. Zu dieser Zeit wurde die Idee geboren, die neu entstehenden Datenströme umzuleiten und en gros auszuwerten.
Das konnten die deutschen Geheimdienste nicht. Aber die Amerikaner. Die hatten schon viel früher damit angefangen. Aber die Amis brauchten die Möglichkeit, an die Datenströme in Europa physisch dran zu kommen. Und - wie beschrieben - die wichtigste Leitung lief durch Frankfurt in Deutschland. Von Nord nach Süd, von Ost nach West und in umgekehrter Richtung: Hier ist das Datendrehkreuz, wo man alles direkt serviert bekommt, und da mußte die NSA dran. Und - sieh an, liegt doch der Knotenpunkt der Begierde auf dem Gebiet der besetzten Bundesrepublik, deren Verwaltungsangestellte - äh - Regierung einfach angewiesen werden kann, zu tun, was man in Washington verlangt. Sollen sie sich halt irgendwas einfallen lassen, wie sie's verargumentieren. Legal, illegal, scheißegal, Hauptsache, das läuft.
Walter Steinmeier und der damalige BND-Präsident August Hanning müssen das Ding jetzt hinbekommen, egal wie. Steinmeier biegt so lange an den juristischen Vorgaben und den Grundrechten herum, bis es irgendwie paßt, und Hanning weiß, daß er den Hut nehmen kann, wenn's auffällt. Die Amerikaner spendieren die ganze technische Ausrüstung, und los geht's. Diverse Ausspähungsaktionen werden durchgezogen, wie wir mittlerweile von Edward Snowden wissen. Von "Prism" und X-Keyscore" haben wir ja schon gehört, Echelon in Großbritannien macht auch fleißig mit, Eikonal ist dann die ausgereiftere Version.
Gleichzeitig wächst Frankfurt derweil zum größten Internet-Knotenpunkt der Welt, die Datenstaubsauger wachsen mit, die "Zusammenarbeit" zwischen NSA und BND reift zum besagten "Kronjuwel der Zusammenarbeit" heran. Etwa 2005 hat die Datenspionagetechnik der Geheimdienste diesen riesigen Datenverteiler vollkommen im Griff. Alles was aus ganz Europa, Nordafrika und dem nahen Osten hier eintrifft, um sortiert und weitergeleitet zu werden, landet auch in den Netzen der NSA. Wahrscheinlich, aufgrund lang erprobter Zusammenarbeit auch in denen des Mossad. Das besondere Interesse soll dabei auf den russischen Datenströmen gelegen haben.
Natürlich alles unter dem Zeichen der Terrorbekämpfung.
Der BND hatte nach eigenem Bekunden die Kontrolle schon gleich verloren. Wenn er die US-Spionagetechnik überhaupt je durchblickt hat. Das wird in den Akten sogar ausdrücklich beklagt: Der BND sei technisch zu unterlegen, um überhaupt nachprüfen zu können, welche Daten die Amerikaner erhalten, und was sie mit diesen Daten dann machen. Der BND könne noch nicht einmal beurteilen, was die gefundenen Daten überhaupt seien. Besonders, wenn es sich um verschlüsselte Kommunikation handelt. In einem Vermerk an Hanning, der in den Akten liegt, steht "volle Kontrolle durch den BND ist real nicht möglich".
Zwar legte Walter Steinmeier Wert darauf, daß die NSA keinen direkten Zugriff auf die Daten habe, aber natürlich landete am Ende alles in den USA. Nur über den Umweg Frankfurt>Pullach>Rechenzentrum Kaserne Mangfall. Die Amerikanischen Geheimdienstler arbeiteten dort am selben Ort mit ihren deutschen Kollegen zusammen und werteten die abgeschöpften Daten aus, wobei die deutschen Schlapphüte - und die Deutsche Telekom als Provider! - immer brav mitmachten und keinen Durchblick hatten, was wirklich vorging.
Der Name der Deutschen Telekom als Herausgeber der Daten ist zwar in den Akten korrekt mit schwarzen Balken abgedeckt, aber es ist sonnenklar, wer der Provider am Frankfurter Knotenpunkt ist. Laut Aktenlage gab es sogar einen Vertrag zwischen Telekom und BND, demzufolge die Telekom dem BND Zugang zu den Servern mit den Daten ermöglicht - gegen ein Entgelt von monatlich 6000 Euro. Damit kam der BND - und infolge die NSA an die Zig-Terabytes an Daten, die von deutschen und ausländischen Usern über diesen Knotenpunkt liefen.
Das Gerangel um Zusammenarbeit mit der NSA, funktionsuntüchtige Filter, die die deutschen Daten herausfiltern sollten, es aber nie wirklich taten, aufgeflogene Ausspionierung französischer Daten, unterdrückte Proteste besorgter Mitarbeiter beim BND, Beschwerden und den Versuchen, Eikonal zu beenden, läuft seit Jahren. Es wurde aber einfach weitergemacht. Der Vertrag it der Telekom wurde zwischenzeitlich gekündigt. Im Kanzleramt wurde darüber diskutiert, aber die Notbremse nie wirklich gezogen. Auch darüber, ob man die Kommission unterrichten müsse, wurde im Kanzleramt debattiert. Mit welchem Ergebnis? Unklar.
Nun prüft der Untersuchungsausschuß, ob jene G10-Kommission mitgemacht hat, oder getäuscht wurde. Jahrelang wurden alle Warnungen und Bedenken ignoriert und weitergewurschtelt. Der NSA wars so lange recht, wie sie die Daten bekam.
Quelle: http://quer-denken.tv/index.php/881-eikonal
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen