Offener Brief an Dich, den "Verbraucher"
02. Februar 2015 Hier ein Brief eines Landwirtes - eines Bauern - der einfach mal einen schriftlichen Wutanfall hingelegt hat. Wir übernehmen ihn hier vollkommen unredigiert, samt Schreibfehlern. Das muß so sein. Man hört's nicht gern. Aber - bitte lest das mal und fragt Euch dann, ob er nicht recht hat.
"Heute habe ich dermaßen die Schnauze voll. Habe heute Morgen die
Abrechnung meines Nachbar von Pommes-Kartoffeln außerhalb des Vertrages
gesehen: 1 LKW = 25 t = 250 €. Für die, die nicht rechnen können: das
ist 1 Cent pro Kilogramm! Und was 1 Kilo Tiefkühl-Pommes kostet, wisst
ihr ja. Irgendeiner macht sich da gewaltig die Taschen voll. Dann habe
ich im Internet die Preise an der MATIF für Getreide und Raps für 2015
gesehen. Und gelesen, dass die Hersteller von Dünger die Preise deutlich
angehoben haben. Konsequenz: mir werden in diesem Jahr wohl 25% Gewinn
fehlen werden. Wenn´s reicht! Aber mir reicht´s! Drum habe ich mich
entschlossen, dir, dem Verbraucher diesen Brief zu schreiben:
Billig
Du, lieber Verbraucher, willst
doch nur noch eines: billig. Und dann auch noch Ansprüche stellen! Deine
Lebensmittel soll genfrei, glutenfrei, lactosefrei, cholesterinfrei,
kalorienarm (oder doch besser kalorienfrei?) sein, möglichst nicht
gedüngt und wenn, dann organisch. Aber stinken soll es auch nicht, und
wenn organisch gedüngt wird, jedenfalls nicht bei dir. Gespritzt werden
darf es natürlich nicht, muss aber top aussehen, ohne Flecken. Sind doch
kleine Macken dran, lässt du es liegen. Die Landschaft soll aus vielen
kleinen Parzellen bestehen, mit bunten Blumen und Schmetterlingen. Am
liebsten wäre es Dir wahrscheinlich, wenn wir noch mit dem Pferd pflügen
würden. Sieht doch so nett aus und Pferde findest du so süß! Und die
Trecker würden dich auch nicht beim Joggen auf unseren Wirtschaftswegen
behindern.
Null Ahnung
Du hast keine Ahnung und davon ganz viel. Ist dir eigentlich
bewusst, dass wir Landwirte von unserer Hände Arbeit leben müssen? Dass
auch wir Anspruch auf Urlaub haben, (den wir selten genug machen), dass
auch wir Kinder haben, die genau wie deine, ein Smartphone haben wollen
und Designerklamotten? Und studieren wollen? Wie sollen wir das den
leisten, wenn wir unsere Produkte verramschen (müssen)?
Erkläre du mir mal, wie ich anders reagieren kann, als mit noch
mehr ausgefeilter Technik einen noch höheren Naturalertrag zu
erwirtschaften. Klar kann ich auf Bio umstellen, aber da bekomme ich
genau das an Mehrerlös, was ich an Minderertrag habe. Und von einem
"guten Gefühl" allein kann ich nicht leben. Darüber lässt sich gut
reden, wenn man davon keine Familie ernähren muss.
Formulare
Und was mir noch gewaltig auf den Zeiger geht: Für jeden Scheiß,
den ich mache, kann ich ein Formular ausfüllen, werde von Satelliten
überwacht ob meine Feldgrenze auch auf den Zentimeter genau eingehalten
wird, muss jedes Kilo Dünger aufschreiben, damit das von Kontrolleuren
nachgerechnet werden kann. Dafür, dass meine Produkte auf Rückstände
untersucht werden, bezahle ich selbst. Natürlich findet man nichts, aber
ist ja Vorschrift. Wie bei BSE damals. (...)
Regional
Du sagst, du würdest regional
einkaufen? Stimmt doch nicht! Wer kauft denn jetzt, im Januar (!) die
Weintrauben aus Chile, den Spargel aus Südafrika, die Mangos aus
Brasilien und Äpfel aus China? Du doch! Sonst würden die beim REWE das
längst nicht mehr anbieten. Aber unsere Möhren bleiben liegen. Schon mal
was von Wirsing gehört, oder Weißkohl? Nein, Artischockenherzen müssen
es sein. Falls du dein Essen überhaupt noch selbst zubereitest! Es gibt
in der Tiefkühltheke ja so viele leckere Fertiggerichte mit so viel
leckeren Zutaten wie E 222 = Natriumhydrogensulfit oder E 310 =
Propylgallat. Da klingt ja schon der Name eklig.
Qualität
Auch sonst behauptest du viel: dass Du auf Qualität achtest, dir
die Inhaltsstoffe auf der Packung jedes Mal durchliest, auf
Nachhaltigkeit achtest und überwiegend fair einkaufst. Alles Quatsch:
was du liest sind die Wurfzettel vom Discounter: 10 Eier für 1 Euro.
Jetzt aber schnell los, bevor die weg sind. Freiland-Eier sind teurer?
Egal, die billigen sind ja nur zum Backen.
Gefühl
Warum ich das schreibe? Um dir mal ein Gefühl für meine Situation
zu vermitteln. Gefühle sind etwas irreales, da gibt es kein richtig oder
falsch. Die hat man einfach. Aber das mir manchmal die Lust an meinen
Beruf vergeht, kannst Du jetzt vielleicht etwas nachvollziehen. Ich weiß
auch, dass wir Landwirte keine Heiligen sind, dass es da auch schwarze
Schafe gibt. Aber auch nicht alle Ärzte sind Pfuscher, nicht alle
Handwerker Gauner, nicht alle Politiker korrupt und nicht alle
Polizisten Schläger. Wir Landwirte wirtschaften aus eigenem Interesse
nachhaltig. Das brauchen wir uns von keinem noch so klugen Politiker,
noch so schlauem Journalisten oder irgendeinem ahnungslosen
Verwaltungsfuzzi sagen zu lassen. Die bekommen ihr Gehalt nämlich jeden
Monat, ohne unternehmerisches Risiko. (...)
gefunden: http://quer-denken.tv/
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