Markus Gärtner
Griechenlands neuer Finanzminister Giannis Varoufakis hat seine Europa-Tour für Gespräche mit Gläubigern in Paris und London begonnen. Heute trifft er EZB-Chef Mario Draghi. Öffentliche Statements sind aber nicht geplant. Nach dem Treffen mit dem Griechen bezeichnete der britische Schatzkanzler George Osborne das Schulden-Geschacher zwischen Athen und der Euro-Zone als das »größte Risiko für die Weltwirtschaft«. Das klang nach einem dicken Desaster.Doch seit Montagabend hellt sich der Horizont auf, zumindest aus der Sicht des privaten Geld-Adels. Denn der wird – wie es jetzt aussieht – von einem schmerzhaften Schuldenschnitt verschont bleiben. Ganz anders sieht das mit den Steuerzahlern aus. Die meisten von ihnen ahnen das aber nicht.
Jetzt fordert die neue Regierung unter Führung der linken Syriza in Athen offiziell zwar keinen Schuldenschnitt mehr. Doch der Deal, den Varoufakis zu Wochenbeginn als Wunsch präsentiert hat, läuft auf dasselbe hinaus.
Für die Gläubiger – sprich die Steuerzahler in den Geberländern – ist das Ausfallrisiko sogar noch gestiegen, seit ihre Regierungen zu einem Schuldenschnitt Nein gesagt haben.
Denn Griechenlands Schulden sollen laut dem Varoufakis-Plan – wie anno 2008 die tödlichen Betrugs-Derivate, die die Finanzkrise auslösten – in schöner etikettierte Wertpapiere verwandelt werden, die außer der harmlosen Bezeichnung keine Verbesserung bringen, und den Griechen selbst auch nicht viel.
Teil eins der »Neukonstruktion« der Schulden, wie Athen sie selbst nennt, sind die bisherigen Kredite der Euro-Länder. Sie werden in Anleihen umgewandelt, die an das Wirtschaftswachstum gekoppelt sind. Wächst die griechische Wirtschaft, werden Zinsen auf diese Anleihen gezahlt. Stagniert sie, oder fällt zurück in die Rezession – Pustekuchen.
Das verringert Griechenlands Zinslast aber nur geringfügig, weil die Zinsen ohnehin schon sehr niedrig sind. Für die Gläubiger – die Steuerzahler in den angeblich »reichen« Ländern der Euro-Zone – ergeben sich unsichere Zinseinkünfte.
Argentinien hatte nach seiner Staatspleite solche wachstumsabhängigen Anleihen emittiert. Seitdem zweifeln Analysten und Volkswirte regelmäßig die BIP-Zahlen des südamerikanischen Landes an. Und wir wissen, dass sich Griechenland bereits mit massierten Wirtschaftszahlen Zutritt zur EU verschafft hatte.
Der zweite Teil der als »Ingenieurs-Leistung« deklarierten Schummel-Aktion sind die griechischen Schuldscheine, die bereits in den Gewölben der Europäischen Zentralbank ruhen.
Sie sollen in ewige Anleihen umgewandelt werden, also Papiere mit unendlicher Laufzeit.
Was hier versucht wird, ist, die sowieso nicht mögliche Tilgung in eine Illusion zu verpacken, eine Hoffnung, dass die Forderung zumindest bis in ferne Zukunft weiterbesteht.
Da wir aber wissen, dass elf Millionen Griechen niemals 315 Milliarden Euro Auslandsschulden abtragen können, müssen wir diese Endlos-Streckung der Laufzeit als getarnten Schuldenschnitt betrachten. Warum dann nicht offiziell, wenn es sich sowieso nicht verhindern lässt?
Abgesehen davon darf die EZB Anleihen in ihren Beständen nicht einfach so umwandeln. Werden die Rückzahlungen auf Sankt Nimmerlein vertagt, müsste die Notenbank eventuell eine Wertminderung in ihren Büchern eintragen. – Schwer vorstellbar, dass dies geschieht. Dazu werden wir aber heute nach dem Treffen zwischen Varoufakis und Draghi wohl nichts hören.
Das Konzept hinter dem Vorschlag aus Athen, der mit Blick auf die Steuerzahler − auch in Deutschland − nur als versuchte Täuschung der Öffentlichkeit zu sehen ist, lautet so: Wir kaufen Zeit bis zur Einlösung von Versprechen, die jetzt noch unverbindlicher sind als schon zuvor.
Griechenland käme dabei um die offizielle Version eines Schuldenschnittes herum. Die Regierungen der Gläubiger hätten ihr Gesicht gewahrt. Und die Steuerzahler – zumindest der Großteil von ihnen, der diesen Deal nicht versteht – wären ruhig gestellt.
Zu dem Etiketten-Schwindel mit den Anleihen kommen seitens der neuen griechischen Regierung noch zwei Versprechen hinzu, die sich leicht umgehen oder manipulieren ließen: Budgetüberschüsse und der Beginn von Reformen.
Die kann man immer irgendwie nachweisen. Varoufakis hat in London zugesagt, Budgetüberschüsse nötigenfalls dadurch zu erreichen, dass er im Wahlkampf versprochene Wohltaten im Extremfall streicht.
Im Klartext: Die neue Regierung in Athen rettet sich von einem Narren zum nächsten und hofft, damit so lange wie möglich durchzukommen.
Erst verrät sie die Wähler, denen sie alle möglichen Geschenke versprach. Danach prellt sie die europäischen Gläubiger. Das Ganze heißt nicht mehr Wahlbetrug oder Schuldenschnitt, sondern wird durch die Bezeichnung »Engineering« zu einer Kunstform geadelt.
Wir ahnen, was dann kommt: Die neue spanische Regierung nach der anstehenden Wahl im Herbst. Auch sie wird Gefallen an Endlos-Bonds finden. Und schließlich die Franzosen, wenn Marine Le Pen erfolgreich auf dieser Welle von Protestparteien reitet.
Und noch eine Illusion, beziehungsweise ein Betrug, muss hier benannt werden: Private Anleger werden Endlos-Anleihen oder Wachstumsscheine von einem extrem verschuldeten Land nicht kaufen. Das haben sie im Falle Griechenlands zuletzt ohnehin kaum noch getan.
Es kommen also künftig fast nur noch staatliche Geschäftsbanken oder Notenbanken in Betracht, aus politisch durchsichtigen Gründen. Steuerzahler haben dabei kein Votum, nur das Risiko. Was Schuldpapiere Griechenlands jetzt noch wert sind, werden die Investoren schon bald sehen.
Allein im Februar und März werden sogenannte T-Bills für über sechseinhalb Milliarden Euro fällig. Ob die auch auf unendlich gestellt werden sollen, hat Varoufakis bei seiner Tour bisher nicht erläutert.
Quelle: http://info.kopp-verlag.de
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