Andreas von Rétyi
Der E-Cat des umstrittenen italienischen Erfinders Andrea Rossi sorgt wieder für Schlagzeilen. Schon seit Jahren wird der Energy Catalyzer in der »Szene« alternativer Energietechnologien diskutiert, Skeptiker sprechen unverhohlen von Betrug und Manipulation, doch wiederholt haben Tests zu positiven Ergebnissen geführt. Jetzt veröffentlichte ein renommierter Moskauer Physiker eine wissenschaftliche Arbeit – sie dokumentiert die erfolgreiche Reproduktion des E-Cats.Hat sich jetzt der entscheidende Durchbruch ereignet, auf den viele schon so lange gewartet haben? Können Investoren und Kunden aufatmen, die bislang hinsichtlich sicherer Fakten und Ergebnisse immer wieder auf die Folter gespannt wurden? Andrea Rossi, Erfinder des revolutionär scheinenden E-Cats als niederenergetischem Reaktor mit offenbar beachtlichen Leistungswerten, hielt sich bekanntlich immer zu Details seiner Arbeit bedeckt.
Die gesamte Situation stellte sich komplex und verschwommen für Interessenten dar. Einerseits gab es kaum Konkretes, dazu kamen viele desillusionierende Berichte über einen vermeintlichen Schwindel, andererseits waren da aber auch angesehene Wissenschaftler wie der schwedische Physiker Hanno Essén, der einen Betrug für unwahrscheinlich erachtete.
Fachleute der Universität Bologna, die bei entsprechenden Vorführungen anwesend waren, bestätigten ebenfalls die erstaunliche Leistung des Reaktors. Und jetzt schließlich erklärt der Physik-Professor Alexander Parkhomow von der Moskauer Lomonossow-Staatsuniversität, ihm sei gelungen, den E-Cat zu reproduzieren.
Sein »Klon« liefere zwar bescheidenere Ergebnisse, immerhin aber doch bis zur 2,74-fachen Ausbeute der zugeführten Energie. Rossi selbst zeigt sich hiervon ziemlich unbeeindruckt. Denn mit seiner Arbeit sei er bereits viel weiter: »Wir stehen kurz vor der massiven Kommerzialisierung. Ich denke, es ist zu spät, uns noch einzuholen.« Doch gratuliert er Parkhomow zu den Ergebnissen, die seine eigene Arbeit deutlich stützen.
Die spannende und ungewöhnliche Geschichte möglicher Nuklearumwandlungen bei niedriger Temperatur (Low Energy Nuclear Reactions, LENR) reicht weiter zurück, als mancher vielleicht meinen würde. So markiert 1926 ein bemerkenswertes Jahr, in dem die beiden angesehenen Wissenschaftler Friedrich A. Paneth und Kurt K. G. Peters von einer Umwandlung von Wasserstoff zu Helium unter Nutzung von Palladium als Katalysator berichteten.
Später zogen sie allerdings ihre eigenen Ergebnisse wieder in Zweifel, rückten aber von der prinzipiellen Machbarkeit nicht ab. Bald folgten weitere Experimente und Theorien. Vor allem aber das Jahr 1989 brachte eine offensichtliche Sensation: Am 23. März 1989 gab der vor wenigen Jahren verstorbene Elektrochemiker Martin Fleischmann eine Pressekonferenz, in der er erklärte, zusammen mit seinem Kollegen Stanley Pons den Nachweis für Kalte Fusion erbracht zu haben.
Damit sei die Türe zu einem neuen Forschungsgebiet aufgestoßen worden. Die Präsentation entfachte einen Sturm in Medien und Wissenschaft. Vor allem negative Stimmen waren vielerorts lautstark zu vernehmen. Das Ganze schien einfach zu unfassbar, zu sensationell und geradezu marktschreierisch. Allein schon der einfache Versuchsaufbau mit einem Wasserglas, ein paar Elektroden und etwas technischem Gerät erinnerte an ein simples Schulexperiment und weckte Verdachtsmomente – bald schon spöttelten einschlägige Blätter vom »Sturm im Wasserglas«.
Bei Fleischmann und Pons war wieder Palladium im Spiel. Kurz gesagt: Wasserstoffisotope wurden während des Vorgangs elektrolytisch in ihre Bestandteile zerlegt, um bei Raumtemperatur Helium-4 und Überschusswärme zu erzeugen. Die Bezeichnung »Kalte Fusion« wurde schnell zum geflügelten Wort, worüber Fleischmann sich ärgerte, da Vorgänge und Reaktionsprodukte nicht mit der typischen »Heißen Fusion« vergleichbar waren. Und weil deren übliche Produkte nicht auftraten, konnte es sich nach Ansicht der Kritiker pauschal auch nicht um eine Nuklearreaktion gehandelt haben.
Die Diskussion begann weltweit in vielerlei Hinsicht aus dem Ruder zu laufen, außerdem misslangen etliche Reproduktionsversuche. Doch gab es auch politische Gründe, die Kalte Fusion buchstäblich auf »niedriger Flamme« zu halten und dabei etliche Meldungen zu bestätigenden Experimenten anzugreifen.
Da wurde sogar regelrecht manipuliert, erbitterte Kritiker änderten Leistungsdiagramme, um die missliebige Überschusswärme möglichst schnell vom Tisch zu bekommen. Im Buch Energie ohne Ende habe ich unter anderem solche Vorfälle sowie den Krieg um die Kalte Fusion ausführlicher beschrieben, die diversen Pfade und Facetten, die auch wiederholt den bizarren Widerstreit verschiedenster Interessen spiegeln.
In den letzten Jahren war es aber vor allem eine Person, die immer wieder für erhitzte Debatten um die LEN-Reaktionen gesorgt hat: der italienische Erfinder Andrea Rossi. Er entwickelte sich zunehmend zum großen Hoffnungsträger auf dem Sektor unkonventioneller Energietechnologien, wobei Kritiker ihm häufig vorwarfen, eine Hinhalte-Taktik zu fahren, eigentümliche Erklärungen abzugeben und vor allem auch geradezu besessen von einer Geheimhaltung wesentlicher Fakten zu sein – wobei Letzteres an sich wohl recht gut zu verstehen ist.
Vielen schien es allerdings, als wolle Rossi die berühmte Katze im Sack verkaufen. »Andrea Rossi«, das ist wahrlich ein ganz eigenes Kapitel voll anhaltender Kontroversen. Da geht es um fantastische Konzepte, Ideenraub, Manipulation, Bestätigung und Ablehnung, Angriff und Verteidigung, gelungene Demonstrationen und für fragwürdig erachtete Experimente.
Im Januar 2011 fanden sich nahe Bologna rund 50 Gäste ein, um einer ganz besonderen Demonstration beizuwohnen: Andrea Rossi hatte zusammen mit dem zwei Jahre später verstorbenen Physiker Sergio Focardi einen Reaktor realisiert, der auf der Grundlage von Nickel und Wasserstoff eine Umwandlung zu Kupfer erreichen und dabei Energie produzieren sollte. Als Nebeneffekt sollte etwas Gammastrahlung entstehen.
Doch genau die trat seltsamerweise am Tag der öffentlichen Vorführung nicht auf. Nach gewissen Startschwierigkeiten sei das Experiment schließlich gelungen, um dann sogar 31 Mal mehr Energie zu liefern als dem Reaktor zugeführt worden war. Zur Verfügung stand lediglich ein Gramm Wasserstoff, was niemals ausgereicht hätte, diese Produktion zu erklären. Eine konventionelle Verbrennung war das also ganz offenbar nicht. Doch, stimmte das alles so auch?
Kritiker wiesen auf ungeklärte Abhängigkeiten der beteiligten Wissenschaftler hin. Hier mochten finanzielle Beteiligungen im Spiel sein. So manch anderes seltsame Kapitel wurde plötzlich aufgeschlagen, mit offenbar einigen dubiosen Vorgängen aus Rossis Vergangenheit, einer Haftstrafe, verschiedenen Delikten, Geldwäsche und sogar Behauptungen, Rossi habe einer kriminellen Vereinigung angehört.
Wo aber beruhte das alles auf Fakten und wo fingen die blanken Gerüchte an? Die Situation schien immer verwirrender zu werden, trotz gelungener Demonstrationen. Viele, die Rossi vertraut hatten, wurden unruhig. Oder war der Erfinder einfach zu gefährlich geworden – für die große Konkurrenz im Energiebereich?
Im Mai 2013 erklärte Rossi dann im Rahmen einer längeren Internetsendung die Probleme beim Bau eines Megawatt-Reaktors, er beantwortete zu seinem anderthalbstündigen Interview zahlreiche Fragen und sprach dabei auch von Sicherheitsaspekten, die das Projekt verzögerten. Die Technologie sei völlig neu, da mangele es auch entsprechend an wesentlicher Erfahrung. Eine Zertifizierung des E-Cats durch Sicherheitsbehörden sei erst nach umfangreichen Tests möglich, denn das System werde enorm heiß. Das klang alles plausibel, und doch auch wieder nach Hinhalte-Taktik.
Im Oktober 2014 erschien dann jedoch ein bemerkenswerter neuer Bericht über den E-Cat. Er stammte von Wissenschaftlern der Universitäten Bologna und Uppsala und fiel positiv aus. Der »Lugano«-E-Cat-Bericht vom 8. Oktober 2014 beschreibt zudem einen 32-tägigen kontinuierlichen Testlauf bei Zufuhr von 900 Watt elektrischer Leistung, wobei eine Ausbeute von 2800 Watt bestätigt wird.
Der rund 20 Zentimeter lange E-Cat wurde für eine erweiterte Zeitspanne in Betrieb gehalten, um damit zu belegen, dass die Energie nicht etwa von einer verborgenen Batterie stammte. Als Gesamt-Energiebetrag werden für die 32 Tage rund 1,5 Megawattstunden genannt. Dies sei »weit mehr, als aus jeder bekannten chemischen Quelle in einem so kleinen Reaktorvolumen erzielt werden kann«.
Auch habe sich das Isotopenverhältnis im Lauf des Versuchs geändert, was eine nukleare Reaktion bestätige. Allerdings sei Rossi bei dem Test anwesend gewesen, was die Unabhängigkeit dieser Untersuchung infrage stelle.
Doch nun präsentierte Professor Parkhomow seine eigenen neuen und positiven E-Cat-Ergebnisse auf einem Seminar zu Kalter Fusion, gehalten am Forschungsinstitut für den Betrieb von Kernkraftanlagen, Moskau.
Dabei gab er sämtliche Details zum Reaktordesign preis, zu allen verwendeten Materialien und dem gesamten Experiment, das wegen seiner relativ geringen Komplexität als gut wiederholbar beschrieben wird. Frank Acland von E-Cat-World erklärt hierzu: »Wenn jemand Parkhomows Arbeit nun reproduziert, dann glaube ich nicht, dass noch irgendwer sinnvoll abstreiten kann, dass Rossi wirklich genau das hat, was er immer wieder behauptet hat.«
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